Veranstaltung: | 1. Entwurf Landtagswahlprogramm Mecklenburg-Vorpommern |
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Antragsteller*in: | Schreibgruppe (dort beschlossen am: 28.05.2020) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 21.06.2020, 17:11 |
A12: PLANEN, LEBEN, BAUKULTUR
Text
U 1. Landes- und Regionalentwicklung ist nachhaltig
U 1.1 An die Folgen des Klimawandels anpassen
U 1.2 Flächenverbrauch minimieren
U 1.3 Kooperation statt Konkurrenz
U 1.4 Ländliche Gestaltungsräume……(wird nachgereicht)
U 2. Bodenpolitik dient dem Allgemeinwohl
U 2.1 Bodenpolitik gestaltet Lebensräume
U 2.2 Landes-Zertifizierung für ein nachhaltiges kommunales Flächenmanagement
U 2.3 "Flächenkreislaufwirtschaft" und "Doppelte Innenentwicklung"
U 3. Soziale Mischung, Begegnung und Innovative Wohnformen - Räumliche Antworten
auf Vereinzelung, soziale Spaltung und den demografischer Wandel
U 3.1 Sozialer Spaltung entgegen wirken - 30 Prozent Sozialwohnungsanteil im
Wohnungsbau durchsetzen
U 3.2 Sozial innovative Wohnformen initiieren, beraten und unterstützen
U 3.3 Begegnungszentren schaffen - Mehr-Generationen-Häuser und Stadtteilschulen
U 3.4 Landesprogramm „Erwerb und Umbau von Altbauten“ einführen
U 3.5 Zweckentfremdungsverbot und Milieuschutzsatzung durchsetzen
U 4. Integration Mecklenburg-Vorpommerns in Europa
U 4.1 „Mecklenburg-Vorpommern: Grüner Garten der Metropolen“
U 4.2 „Mecklenburg-Vorpommern – Die Südsee der Ostsee“
U 4.3 "Interkulturelle und Europäische Kompetenz der Verwaltungen in
Mecklenburg-Vorpommern"
U 5. Energieeffizienz und Grüne Wärme in Städten und Gemeinden
U 5.1 Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebereich forcieren und durchsetzen
U 5.2 Klimaschutz in Quartieren und in der Bauleitplanung forcieren und
durchsetzen
U 5.3 Klimaschutzbilanzen in Kommunen unterstützen und organisieren
U 6. Stadt- und Ortskerne bewahren und zukunftsfähig entwickeln
U 6.1 Neuer Schwung für Ortskerne: Programm für integrierte Quartierentwicklung
und multifunktionale Nahversorgung
U 6.2 Denkmalschutz und Ortskernentwicklung - Baukultur als sozialintegratives
und identitätsstiftendes Projekt denken
U 6.3 Rollende Supermärkte gewährleisten Leben im Dorf
U 7. Kulturlandschaft und Baukultur bewahren und entwickeln
U 7.1 Bau- und kulturhistorisch wertvolle Strukturen erhalten
U 7.2 Öffentlichkeitsbeteiligung bei Prozessen der Entwicklung von
Kulturlandschaft und Baukultur forcieren
U 7.3 EinenFachbeirat „Kulturlandschaft und Baukultur“ auf Landesebenebilden
U 7.4 Ein landesweites Bildungsprojekt „Historische Siedlungsstrukturen“
aufbauen
U 7.5 EineLandesstiftung „Gefährdete Industriedenkmale“ gründen
U 8. Ressourcenschonend und wirtschaftlich Planen und Bauen in M-V
U 8.1 Selbstverpflichtung des Landes M-V zu nachhaltigem Planen und Bauen und
deren Förderung
U 8.2 Gebäude als CO2-Senken realisieren - Holzbau und nachwachsende Baustoffe
fördern
U 8.3 Wissens-Cluster Kreislaufwirtschaft / nachhaltiges Bauen als
Wirtschaftsförderung
U 9. Nachhaltiges Handeln braucht eine Strategie
U 9.1 Nachhaltigkeitsstrategie für Mecklenburg-Vorpommern
U 9.2 Aufbau einer„Agentur für Energie,Klimaschutz und Nachhaltigkeit
Mecklenburg-Vorpommern“
U 9.3 Förderung der Naturvielfalt in Mecklenburg-Vorpommern
U 9.4 Wettbewerb und Förderprogramm zum Schutz der biologischen Vielfalt in den
Städten und Gemeinden
U 9.5 Kleingärten mit Zukunft
U 10 Meeresraumordnung
U 10.1 Flächenhafte, zeitlich festgesetzte und rechtsverbindliche Umsetzung der
EU-Wasserrahmenrichtlinie in MV.
U 10.2 Flächenhafte, zeitlich festgeschriebene und rechtsverbindliche Umsetzung
der EU-Meeresstrategie-Richtlinie in MV (EU-MSRL)
U 10.3 Sofortreparaturmaßnahmen in der Meeresumwelt
U 11 Unterirdische Raumordnung
U 11.1 Novellierung des Kapitels 'Unterirdische Raumordnung des LROP'
U 11.2 Schutz des Grundwassers
U 11.3 Rechtsverbindliche Festschreibung und Realisierung der Nachnutzungen der
Bergbaufolgelandschaften.
Weitere Themen
Staatshochbau, Bauherreneigenschaft, Personalausstattung,CAFM
BIM. Vorbildwirkung des Staatshochbaus M-V
UNTERKAPITEL 1
U 1. Nachhaltige Landes- und Regionalentwicklung
Eine nachhaltige Raumplanung muss sich den Herausforderungen des Umwelt- und
Klimaschutzes stellen. Gleichzeitig soll sie den sozialen, ökonomischen und
ökologischen Anforderungen gerecht werden. Hierzu zählen insbesondere die
Auswirkungen des demografischen Wandels und die Sicherung der Daseinsvorsorge im
ländlich geprägten Raum. Wir wollen, dass die Region als wichtige Handlungsebene
für eine nachhaltige Entwicklung gestärkt wird. Wir unterstützen daher eine
Landes- und Regionalentwicklung,
die klima-, umwelt- und sozialorientiert ist,
die den Anforderungen des ländlichen Raums angepasst ist,
und kosteneffizient ist.
Klimaschutz und Klimaanpassung ist eine Querschnittsaufgabe, die den verstärkten
Schutz der Naturräume und der Biodiversität, die Vermeidung fortschreitender
Flächenversiegelung und resiliente Raumplanung beinhaltet und somit den
Nachhaltigkeitsgedanken maßgeblich beeinflusst.
U 1.1. An die Folgen des Klimawandels anpassen
Festlegungen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels sollten entsprechend
den Vorgaben der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) „Leitbilder und
Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland“ ** in die
Raumentwicklungsprogramme aufgenommen werden. Das MKRO fordert in Bezug auf die
Herausforderungen des Klimawandels, dass „die bisherige Ziel- und
Grundsatzformulierungen wie auch räumliche Festlegungen in Plänen und Programmen
überprüft, ggf. neu bewertet und entsprechend fachlich und räumlich erweitert
bzw. differenziert werden“.
Darauf aufbauend fordern wir:
Die Überprüfung und fachliche Neubewertung des
Landesraumentwicklungsprogramms durch dessen Teil-Fortschreibung.
Die Teil-Fortschreibung sollte auf der Aktualisierung der Studie
„Klimaschutz und die Folgen des Klimawandels“ basieren.
Die Teil-Fortschreibung sollte auf der Erarbeitung eines Leitbildes für
eine „Klimaschonende und den Klimafolgen gegenüber resiliente
Raumentwicklung“ erfolgen.
Daraus abgeleitet sollten Maßnahmen zur Klimaanpassung in den Grundsätzen
und Zielen der Raumordnung durch Festlegung von Vorrang- und
Vorbehaltsgebieten
- mitbesonderenKlimafunktionen,
- für denvorbeugenden Grundwasserschutz,
- für denvorbeugendenHochwasserschutz
- Moorerhaltung und -entwicklung
aufgenommen werden.
Zusätzlich sollten Indikatoren als Ziele der Raumordnung festgelegt
werden:
- CO2-Emissionen (t) je Einwohner,
- Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch (%)
- Flächeninanspruchnahme (ha/Tag)
U 1.2. Flächenverbrauch reduzieren
Der Flächenverbrauch steigt täglich. Mit drastischen Folgen für Menschen, Tiere
und Pflanzen: Überschwemmungen bei Starkregen, sinkende Grundwasserstände,
Verlust von Lebensraum und damit Artensterben, Verschlechterung der
Bodenqualität und nicht zuletzt negative klimatische Auswirkungen. Der
Flächenverbrauch muss daher reduziert werden. Derzeit werden in MV täglich 2 ha
Fläche verbraucht.
Zur Reduzierung des Flächenverbrauchs fordern wir:
Im Zuge der Teil-Fortschreibung des Landesraumentwicklungsprogramms sollen
planerische, rechtliche und ökonomische Instrumente zur Senkung des
Flächenverbrauchs entwickelt werden. Planerisches Ziel ist die Reduzierung des
Flächenverbrauchs auf 1 ha pro Tag sowie eine weitere Reduzierung des
Flächenverbrauchs auf Null bis ins Jahr 2035. Diese Forderungen sollen als
verbindliche Ziele der Raumplanung im Landesraumentwicklungsprogramm festgelegt
werden. Geprüft werden sollen folgende Instrumente und Maßnahmen:
Die Einführung einer Obergrenze zum Flächenverbrauch und die damit in
Verbindung stehenden Verfahren zur landesweiten Verteilung der Flächen
Der Handel mit Flächenzertifikaten: die Fläche wird begrenzt und
handelbare Rechte (Zertifikate) werden an die Kommunen verteilt. **
Die Einführung einer Abgabe auf Umwandlung von Flächen im Außenbereich zu
Bauland. Die Abgabe soll zur Renaturierung von Brachen aus militärischer,
gewerblicher und sonstiger Nutzung im Außenbereich und ungenutzter aber
belasteter Flächen im Innenbereich genutzt werden.
Die Förderung der Flächenkonversion durch das Land für Flächen mit ehemals
militärischer, industrieller und landwirtschaftlicher Nutzung sowie
inzwischen auch Verkehrs– und Handelsnutzung.
Die Einführung eines landesweiten Leerstands- und Brachflächenmonitorings
U 1.3 Kooperation statt Konkurrenz
Für mehr Miteinander in der Region, d.h. eine regional abgestimmte Planung
bei der Siedlungsentwicklung,
die Steuerung der Siedlungsdichten,
die Festlegung von Infrastruktureinrichtungen der Daseinsvorsorge an
geeigneten Standorten,
den Schutz und die Entwicklung von Landschafträumen,
weniger Zersiedelung der Landschaft und
weniger Flächenverbrauch insgesamt
müssen Maßnahmen auf regionaler Ebene entwickelt werden.
Für mehr Kooperation statt Konkurrenz möchten wir:
Die Aufstellung einer verpflichtenden gemeinsamen Regionalen
Flächennutzungsplanung mindestens für die Stadt-Umland-Räume gemäß LEP bis
2026. Ziel ist eine nachhaltige Steuerung von Stadt-Umland-Räumen der
Oberzentren Schwerin, Rostock, Stralsund, Greifswald, Neubrandenburg.
Durch die Verbindung von Regionalplanung und Flächennutzungsplanung wird
die rechtsverbindliche Umsetzung von regionalplanerischen Zielen auf der
Ebene der Kommunalplanung unterstützt.
Die Unterstützung der interkommunalen Zusammenarbeit zwischen den
Oberzentren und deren Umlandgemeinden bei der Entwicklung von kommunal-
übergreifenden Gewerbegebieten. Dadurch kann ein ruinöser Wettbewerb unter
den Kommunen um die Ansiedlung von Betrieben vermieden und das
Kostenrisiko für die Erschließung wird auf mehrere Schultern verteilt
werden.
U 1.4 Ländliche Gestaltungsräume >> wird nachgereicht
UNTERKAPITEL 2
U 2. Bodenpolitik dient dem Allgemeinwohl
Der flächenmäßige Ausverkauf der Kommunen zur Haushaltssanierung muss beendet
werden. Das Land und die Kommunen müssen mittelfristig wieder verstärkt über
Bodenbevorratung Einfluss auf die Entwicklung und Nutzung von Grund und Boden in
den Kommunen bekommen. Dafür ist einerseits der kommunale Flächenkauf rechtlich
und finanziell zu unterstützen und darüber hinaus die Flächenbevorratung der
Kommunen durch eine gezielte Förderung und Forderung von Erbbauzinsvergaben zu
forcieren.
U 2.1 Bodenpolitik gestaltet Lebensräume
Eine am Allgemeinwohl ausgerichtete, nachhaltige Stadtentwicklung bedeutet
die Abkehr vom Höchstgebotverfahren bei Grundstücksvergaben.
Grundstücksverkäufe ausschließlich zur Sanierung des Kommunalhaushaltes,
ohne qualitative Anforderungen und langfristige Perspektiven lehnen wir
Bündnisgrüne ab.
Grundstücksvergaben der öffentlichen Hand sollen nur über
konzeptorientierte Ausschreibungen erfolgen. Wohnungs- und
sozialpolitische, städtebauliche, ökonomische, nachhaltige und
klimaschutzrelevante Zielsetzungen müssen gleichermaßen vergaberelevant
sein, um eine dauerhafte Gemeinwohlorientierung zu gewährleisten.
Durch Anwendung von „Revolvierenden Bodenfonds“ sollen bei Verpachtung
(Hauptform) und in Ausnahmefällen beim Verkauf kommunaler Grundstücke die
Erlöse in den sich finanziell und flächenseitig aufbauenden Fonds
zurückfließen.
Die Grundstücksvergabe von Land und Kommunen soll vorrangig durch
Erbbaurechte erfolgen, um langfristig Steuerungsmöglichkeiten in der
Stadtentwicklung (aber auch in der Agrarpolitik) zu erhalten und
eigenständig wohnungsbaupolitische Initiative ergreifen zu können. Hinzu
kommen die regelmäßigen Erbbauzinseinnahmen, die einen dauerhaften
Zugewinn für Gemeinden darstellen.
Der Durchführungserlass zu §56 der Kommunalverfassung ist so zu ändern,
das die Höhe des Erbbauzinses sich an aktuellen Finanzierungszinsen
gleitend orientiert. Durch die unrealistisch hohen Zinsvorgaben im
aktuellen Durchführungserlass werden Erbbauverträge von Kommunen geradezu
verhindert.
Kommunen und Land sollen gezielte Flächenbevorratung betreiben können.
Dazu sind die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für Kommunen
zu schaffen, bzw. zu verbessern.
Wir fordern das Verbot des Verkaufes von Grundstücken und kommunalen
Liegenschaften für den Zweck der Haushaltskonsolidierung sowie Absenkungen
der Konditionen für Pacht und Verkauf für soziale, kulturelle und
Bildungsprojekte.
U 2.2 Landes-Zertifizierung für ein nachhaltiges kommunales Flächenmanagement
Wir brauchen Maßnahmen, Strategien und Anreize für eine flächenreduzierte
Siedlungsentwicklung, für die Anpassung der Siedlungsentwicklung an den
demografischen Wandel, die Förderung der Innenentwicklung und gegen die
Ausbreitung von Leerständen insbesondere in den Ortskernen.
Für ein nachhaltiges Flächenmanagement fordern wir daher:
Die Einführung einer landesweiten Zertifizierung für ein nachhaltiges kommunales
Flächenmanagement. Die Zertifizierung ** unterstützt somit Kommunen dabei, ihre
zukünftige Flächenpolitik nachhaltig zu gestalten. Dies geschieht durch den
Aufbau einer Organisationsstruktur für ein nachhaltiges Flächenmanagementsystem
in den kommunalen Verwaltungen, deren Aufgabe es ist, Leitlinien für eine
nachhaltige Flächenpolitik und ein Handlungsprogramm für eine flächensparende
Siedlungsentwicklung zu entwickeln. Die strategische Ausrichtung der kommunalen
Flächenpolitik wird anhand von quantitativen und qualitativen Kriterien
bewertet. Die Kommunen sollen dabei konkrete Maßnahmen, Verantwortlichkeiten und
Zeiträume festlegen. Darüber hinaus sind Instrumente zur Überprüfung des
nachhaltigen Flächenmanagements (Monitoring) Bestandteil der Zertifizierung.
Durch die Zertifizierung werden neue Qualitätsmaßstäbe bei der Vergabe von
Fördermitteln und bei der finanziellen Unterstützung (Schlüsselzuweisungen)
durch das Land entwickelt. Dies ist ein wichtiger Schritt für eine stärker an
Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtete Förderpolitik.
** Link „Meilenstein“ für flächensparende Kommunen in NRW>>
http://www.meilenstein-nrw.de/front_content.php?idcat=33&lang=3
U 2.3 "Flächenkreislaufwirtschaft" und "Doppelte Innenentwicklung"
Für eine Reduzierung des Flächenverbrauchs und zur Sicherung und Entwicklung der
Biologischen Vielfalt in den Städten und Gemeinden ist die kombinierte Umsetzung
des Prinzips der "Flächenkreislaufwirtschaft" und des Prinzips der "Doppelten
Innenentwicklung" zielführend.
Für eine nachhaltige kommunale Flächenentwicklung fordern wir daher das Prinzip
der „Flächenkreislaufwirtschaft“ in Kombination mit der „Doppelten
Innenentwicklung“ umzusetzen. Das Prinzip der „Doppelten Innenentwicklung“ ist
dabei ein wichtiger Bestandteil der „Flächenkreislaufwirtschaft“.
Bei der „Flächenkreislaufwirtschaft“ werden Brachflächen einer Nutzung zugeführt
und vorher genutzte Flächen, die für eine bauliche Nachnutzung nicht in Betracht
kommen, werden auf dem Wege der Renaturierung aus dem Flächenkreislauf
entlassen. Bei der "Doppelten Innenentwicklung" werden Flächenreserven im
Siedlungsbestand nicht nur baulich entwickelt sondern auch Freiflächen werden
qualitativ und quantitativ miteinander vernetzt. Dadurch können bauliche
Innenentwicklung und wichtige klimatische und ökologische Ausgleichsfunktionen
sowie Erholungsfunktionen miteinander verbunden werden. Die negativen
Auswirkungen des Klimawandels im Siedlungsraum können durch Grünstrukturen und
Freiräume abgemildert werden.
UNTERKAPITEL 3
U 3. Soziale Mischung, Begegnung und Innovative Wohnformen - Räumliche Antworten
auf Vereinzelung, soziale Spaltung und den demografischer Wandel
Die klassische Familie Vater-Mutter-zwei Kinder ist heute ein
Minderheitenmodell. Single-Haushalte dominieren bei Jung und Alt. Hier liegen
Freiheit und Vereinsamung nah beieinander. Solidarität und Fürsorge zu leben
wird heute schnell zu einer Herausforderung. Familien finden keinen geeigneten
Wohnraum in zentralen Lagen. Kinder und prekäre Arbeitsverhältnisse sind
Armutsfaktoren, die die soziale Spaltung und das Auseinanderdriften der
Lebenswelten in unserer Gesellschaft befördern. Ungerechtigkeit drückt sich auch
in räumlicher Ausgrenzung aus.
Wir Bündnisgrünen meinen, dass Ghettobildung für Arme, genauso wie für Reiche,
für Deutsche, wie für Migranten entgegen gewirkt werden muss, damit der soziale
Frieden dauerhaft gewahrt bleibt. Gut funktionierende Nachbarschaften und der
Zusammenhalt der lokalen und regionalen Gesellschaften sind den Bündnisgrünen
ein wichtiges Anliegen. Daher setzen wir uns dafür ein, dass:
soziale Spaltung keine Chance hat
neue Lebensstile und Lebenskonstellationen auch neue Wohnformen brauchen.
dem Wohnungsmarkt keine Wohnungen entzogen werden und Mieterinnen und
Mieter nicht aus dem Gebiet gedrängt werden.
U 3.1 Sozialer Spaltung entgegen wirken - 30 Prozent Sozialwohnungsanteil im
Wohnungsbau durchsetzen
Stadtgesellschaft entmischt sich über das Mietniveau in Quartieren. Dem
können Gemeinden durch kluge Stadtentwicklung entgegen wirken, indem die
Kommunen dafür Sorge tragen, dass bei allen Quartiersentwicklungen eine
flächendeckend ausgewogene Mischung der Mietpreise gegeben ist.
Wir Bündnisgrünen setzen uns dafür ein, dass Wohnungsbau mit einer
Sozialquote grundsätzlicher Standard in MV wird. Wohnungsbauförderung
durch das Land darf nur noch mit einer Sozialbauquote von 30% gewährt
werden.
Die Quote kann durch Vorgaben in der Bauleitplanung, bei
Grundstücksvergaben, durch Konzeptausschreibung nach Sozialkriterien, oder
durch den Ankauf von Belegungsrechten erfolgen.
Geschosswohnungsbau ist dabei sozial immer integrativer als ein
Einfamilienhausgebiet. Wir Bündnisgrünen setzen uns deshalb in der
Bauleitplanung aus sozialen und Klimaschutzgründen für urban kompakte,
attraktiv durchgrünte und nutzungsgemischte Quartiersplanungen ein.
U 3.2 Sozial innovative Wohnformen initiieren, beraten und unterstützen
Sozial innovative Wohnformen werden in MV noch immer als sehr exotisch
angesehen. Projektinitiativen stoßen vielfach auf Vorbehalte aus
Unkenntnis. Dabei können kooperative Baugruppen und soziale
Wohnprojektinitiativen durch ihr gesellschaftliches Engagement, die
besondere Identifikation mit dem Ort und durch ihre Kreativität, ein
Quartier beleben und sozial stabilisieren.
Wir Bündnisgrünen möchten innovativen Wohnformen für Familien, Baugruppen,
Senioren Singles und alternative Lebensgemeinschaften fördern und
unterstützen, durch Konzeptausschreibungen mit sozialen Zielen,
Grundstücksreservierungen in der Gründungsphase der Gruppen, Zuschüsse,
günstige Kredite, Bürgschaften und die Gewährung von günstigen
Erbbaupachten.
Wir setzen uns für die Einrichtung eines Landesbüros für kooperative Bau-
und Wohnprojektinitiativen zur Förderung sozial innovativer und
alternativer Wohnformen ein. Ziel ist es, eine landesweit wirksame
Struktur zur Information und Beratung von Interessenten und Kommunen,
sowie zur Vernetzung und zur organisatorischen Unterstützung der Akteure
zu schaffen. Das Landesbüro kann Kommunen professionell bei der Akquise
von Gebäuden und Grundstücken, sowie beim Aufbau von Projektgruppen
unterstützen. Die Durchführung von landesweiten
Informationsveranstaltungen und kontinuierlichem Erfahrungsaustausch sind
weitere Aufgaben des Landesbüros.
Wir Bündnisgrünen wollen ein Landesprogramm zum Ankauf von
Belegungsrechten für Sozialwohnungen.
U 3.3 Begegnungszentren schaffen - Mehr-Generationen-Häuser und Stadtteilschulen
Soziale und ethnische Integration basiert auf Begegnung. Wir Bündnisgrünen
möchten deshalb bestehende Begegnungsräume erhalten und Neue schaffen.
Insbesondere Schulen können dabei in sozialen Brennpunkten eine neue und
wichtige Rolle spielen. Wir möchten ausgewählte Schulen in MV zu
Stadtteilschulen ausbauen. D.h. Schulen werden durch soziale Angebote an
Eltern und Quartierbewohner zu Stadtteiltreffpunkten aufgewertet.
Solche Angebote können Familienberatungsstellen, Frauentreffs,
Integrations-Sprachkurse, ein Stadtteiltreff mit Cafe, Musikschulangebote,
Kinderarzt- und therapeutische Praxen, etc., sein, abhängig von den
örtlichen Gegebenheiten und Potentialen. Dieser Mix öffnet Schulen in
vielfältiger Weise in die Quartiere und befördert den Kontakt zwischen
Lehrern, Eltern und Schulsozialarbeitern, zum Wohl der Kinder.
Durch Mehrgenerationenhäuser können ähnlich integrierende Angebote für
Senioren und das Quartiersumfeld geschaffen werden. Wir Bündnisgrüne
möchten das freiwillige Zusammenleben unabhängiger, verschieden alter
Personen fördern und unterstützen. Hierbei unterstützen wir
Mehrgenerationen-Bildungsprogramme und -einrichtungen sowie
Mehrgenerationen-Unterstützungs- und Betreuungsprogramme
Dies können Häuser mit sehr großen Wohnungen als Wohngemeinschaften, oder
konventionelle Kleinwohnungen in einem Gebäude sein, die sich gemeinsam
nutzbare Räume teilen, wie z.B. Gemeinschaftsküchen und
Gemeinschaftsräume, Hobbyräume, Fitnessräume oder Gästezimmer und ein
Quartiers-Cafe. Wir Bündnisgrüne stehen für mehr soziale Vielfalt und
Experimentierfreude im Wohnungsmarkt.
U 3.4 Landesprogramm „Erwerb und Umbau von Altbauten“ einführen
Wir Bündnisgrüne initiieren ein Landesprogramm zur „Förderung des Erwerbs und
des Umbaus von Altbauten und Bestandswohnungen“ mit dem Ziel:
Haushalten mittlerer und unterer Einkommensgruppen den Zugang zum
Wohneigentum zu ermöglichen
den Tausch von Wohnraum zu fördern (Jung kauft Alt = junge Familie kauft
altes Haus), wodurch auch der Wohnflächenverbrauch je Wohneinheit
reduziert werden soll
den Bestand vor den Abriss zu bewahren und die regionale Identität zu
stärken
U 3.5 Zweckentfremdungsverbot und Milieuschutzsatzung durchsetzen
Wir Bündnisgrüne setzen uns für eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung in
Mecklenburg-Vorpommern ein, mit der die rechtliche Grundlage geschaffen werden
soll, dass die Gemeinde, vor allem die großen Städte und die Tourismusregionen,
in die Lage versetzt werden, dass dem Wohnungsmarkt keine Wohnungen durch die
illegale Umwandlung in Ferienwohnungen, airbnb-Wohnungen etc. entzogen werden.
Wir Bündnisgrüne setzen uns dafür ein, dass die Instrumente des Baugesetzbuches
zur Sicherung der Wohnfunktion, insbesondere die Satzung zur Erhaltung der
Zusammensetzung der Wohnbevölkerung („Milieuschutzsatzung“), aktiv angewendet
werden. Diesbezüglich wird die Schulung von Kommunalpolitiker*innen und
Behördenangestellten durch das Land empfohlen.
UNTERKAPITEL 4
U 4. Integration Mecklenburg-Vorpommerns in Europa
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Raumordnung und
Landschaftsentwicklung soll wieder deutlich gestärkt werden. Die
Wachstumsimpulse der benachbarten Metropolräume Berlin, Hamburg,
Stettin/Szczecin und Öresund sollen für MV aktiv genutzt werden. Die kulturelle
Identität des Ostseeraumes soll in ihrer gesamten Vielfalt wieder belebt werden.
Durch Beteiligung an existierenden und künftigen gemeinsamen Projekte wie:
„Gärten der Metropolen“ oder ‚Metropolregion Stettin 2050“ sollen die
landschaftlichen, sozialen, kulturellen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen
Potentiale MVs mit denen der benachbarten Metropolregionen vernetzt und
inwertgesetzt werden.
U 4.1 „Mecklenburg-Vorpommern: Grüner Garten der Metropolen“
Mecklenburg-Vorpommern liegt mit seiner wertvollen Natur- und Kulturausstattung
mitten zwischen den Metropolen Berlin, Hamburg, Stettin/Szczecin sowie Öresund.
Wir GRÜNE setzen uns dafür ein, dass das Land und alle seine Teilregionen viel
besser als bislang mit ihren Metropolen und den Nachbarräumen vernetzt werden.
Dazu sollen gemeinsame Entwicklungskonzepte über Länder-, Staats- und Seegrenzen
hinweg aufgestellt werden. Dies gilt für die:
Vernetzung von Schutzgebieten unterschiedlicher Kategorien.
Erweiterung der Biosphärenreservate Schaalsee und Südostrügen sowie
Schaffung eines grenzüberschreitenden Biosphärenreservats Odermündung.
Vernetzung der Brandenburgischen Regionalparks mit den Schutzgebieten
Mecklenburg-Vorpommerns
Grenzüberschreitende Vernetzung und Weiterentwicklung der maritimen
Schutzgebiete.
U 4.2 „Mecklenburg-Vorpommern – Die Südsee der Ostsee“
Die Küste Mecklenburg-Vorpommerns ist mit dem Stettiner Haff die südlichste der
gesamten Ostsee und gerade für die skandinavischen Nachbarn sehr attraktiv. Die
Kooperation in Wissenschaft, Tourismus, Kultur, Sozialbereich, Sport,
Infrastruktur und Verkehr soll deutlich intensiviert und dabei ökologischer
werden.
Komplementierung von Infrastrukturvorhaben der Nachbarräume in MV wie z.B.
die S-Bahn Stettin/Szczecin, die Schienenanbindung Berlin-Karniner Brücke-
Swinemünde/Swinoujscie oder Rehna-Lübeck, synergetische Konzentration auf
die Flughäfen Hamburg, Berlin und Stettin/Szczecin und damit Korrektur der
Fehlentwicklungen auf MV-Seite
Soziokulturelle Vernetzung der Einwohner*innen und Gäste auf allen Seiten
der Grenzen z.B. durch Marketing und Besuche der Theater, Philharmonien
u.a.,Polnisch-Unterricht vom Kindergarten bis zur Schule,
Studierendenaustausch, Unterstützung freier Träger im Bereich der
Jugendarbeit, Unterstützung von Kulturschaffenden, u.a.
Austausch und gemeinsame Projekte zu Demokratiebildung
Vernetzungen der Hochschulen, Studierendenaustausch. Förderung gemeinsamer
Projekte wie ‚“Grenzüberschreitender Rettungsdienst“ u.a.
Abgestimmte Tourismusentwicklung und Vermarktung
Vernetzung der Wander- und Radwege mit denen der Nachbarregionen,
Vernetzung der Sportboothäfen
U 4.3 "Interkulturelle und Europäische Kompetenz der Verwaltungen in
Mecklenburg-Vorpommern"
Bislang konzentrieren sich die Kooperationsbemühungen auf noch zu wenige, meist
freiwillig kooperierende Partner. Wir GRÜNE werden uns dafür einsetzen, dass
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Verwaltungen: Von der Kommunal- bis
hin zur Landesebene und in allen Landesteilen, viel mehr als bislang die
Gelegenheit bekommen, an Kooperations- und Austauschprojekten mit Partnern in
den benachbarten Bundesländern, Metropolen sowie im Ostseeraum teilnehmen zu
können.
Gerade mit Hilfe digitaler Medien ist zudem ein Austausch von best practises mit
den Ostseeanrainern viel intensiver möglich und wünschenswert.
Für alle Kommunen und ihre Einrichtungen, Kulturschaffende, Sozialpartner und
Wirtschaftsunternehmen sollen in allen Landkreisen EU-Förderbüros eingerichtet
werden. Diese sollen den Akteuren aus MV professionell bei der Einwerbung von
Fördermitteln helfen.
UNTERKAPITEL 5
U 5. Energieeffizienz und Grüne Wärme in Städten und Gemeinden
Die Reduzierung des Wärmeverbrauchs in Gebäuden und der Ausstieg aus der
fossilen Wärme sind zentrale Themen der Energiewende und grundlegend für den
Klimaschutz. 40% des deutschen Endenergieverbrauchs werden für Raumheizung und
Warmwasser verbraucht. Hier entstehen 30% des deutschen CO2-Ausstoßes. Am
Gesamtenergieverbrauch eines privaten Haushalts haben Heizen und Warmwasser
einen Anteil von 85%, der Rest ist Stromverbrauch. Wärmeenergie wird immer noch
überwiegend aus fossilen Energieträgern erzeugt. Deshalb setzen wir
Bündnisgrünen uns für einen hohe Energieeffizienzstandard bei Gebäuden und
Siedlungsstrukturen, sowie für die konsequente Wärmewende hin zu Erneuerbaren
Energien ein.
U 5.1 Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebereich forcieren und durchsetzen
Energetische Sanierungsrate steigern: Um die Klimaschutzziele der
Bundesregierung zu erreichen, müssen bis 2050 alle Gebäude in Deutschland
einen nahezu klimaneutralen Energiestandard erreichen. Heute entsprechen
nur die Hälfte der 18 Millionen Wohngebäude in Deutschland dem aktuellen
Wärmeschutzstandard. Die aktuelle Sanierungsrate pro Jahr muss von zur
Zeit unter einem Prozent auf mindestens zwei, besser drei Prozent
gesteigert werden.
Wir Bündnisgrüne fordern deshalb die energetische Sanierung der Gebäude
durch finanzielle Zuschüsse und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten
attraktiv zu machen und damit gleichzeitig den sanierungsbedingten
Mietpreisanstieg zu neutralisieren.
EnEV- / GEG-Nachweise zum Bauantrag einfordern, prüfen und durchsetzen: In
der Landesbauordnung M-V wird die Vorlage des Wärmeschutznachweises bei
Bauanträgen als einzigem Bundesland nicht gefordert.
Wir Bündnisgrüne fordern die Vorlage und Prüfung des Wärmeschutznachweises
in der LBauO MV explizit zu benennen, und darüber hinaus, die Einrichtung
einer proaktiv agierenden Landesstelle Wärmeschutz für
Stichprobenkontrollen, Beschwerden und Nachforderungen.
Erneuerbare Energien bei der Wärmeerzeugung fördern: Die Wärmeerzeugung
muss auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Wärmepumpen mit grünem
Strom, Geothermie, Solarthermie und Biomasse sind die Wärmequellen der
Zukunft. Wir Bündnisgrüne setzen uns für die Förderung dieser
Energiequellen ein.
U 5.2 Klimaschutz in Quartieren und in der Bauleitplanung forcieren und
durchsetzen
Wir Bündnisgrüne sind für die verbindliche Einführung von Klimaschutz- und
Energieeffizienzkonzepten bei der Erstellung von B-Plänen, mit dem Ziel
einerklimaneutralen Siedlungsentwicklung. D.h. Festsetzung von
Energiestandards in B-Plänen oberhalb des gesetzlichen Mindeststandards,
klimaneutrale Energieversorgung, Graue Energie berücksichtigen und
vorrangige Verkehrserschließung durch ÖPNV, Rad- und Fußverkehr.
Wir fordern die Einrichtung einer Agentur auf Landesebene, die die Daten
zum Energiestandard aller Gebäude landesweit zentral erfasst und als GIS-
Daten in ein Zentralregister einpflegt. Ziel ist der Aufbau einer
Energieeffizienzkartierung aller Kommunen, als Steuerungsinstrument auf
Landes- und Kreisebene. Heute herrscht in M-V der energetische Blindflug.
In kompakten Ortslagen braucht es oft Quartierlösungen für die Versorgung
mit erneuerbarer Wärme, um die Wärmewende im Gebäudebestand zu
ermöglichen. Wir Bündnisgrüne sind dafür, die erforderlichen Investitionen
zu fördern und die rechtlich-organisatorischen Rahmenbedingungen für grüne
Nah- und Fernwärmenetze zu verbessern.
Insbesondere die Umstellung bestehender Nah- und Fernwärmenetze auf
erneuerbare Energien bedarf finanzieller Förderung, die im Landeshaushalt
bereit gestellt werden muss.
Darüber hinaus wollen wir die Auslobung eines Landesbaupreises für
regenerative und innovative Energiekonzepte für Quartiere und Gebäude
initiieren.
U 5.3 Klimaschutzbilanzen in Kommunen unterstützen und organisieren
Kommunen müssen in der Lage sein eine CO2-Bilanzierung für ihr
Gemeindegebiet zu erstellen, um Ihre aktuellen Treibhausgasemissionen
festzustellen und im Sinne des Klimaschutzes strategisch reagieren und
steuern zu können. Für die CO2-Bilanzierung gibt es Softwarelösungen, die
es Kommunen ermöglichen ihren Treibhausgasausstoß strukturiert zu erfassen
und Strategien zur CO2-Reduzierung zu entwickeln.
Wir Bündnisgrüne fordern, dass die Landesregierung den Kommunen den
kostenlosen Zugang zur CO2-Bilanzierungs-Software über eine Landeslizenz
ermöglicht, Schulungen für Anwender organisiert, Personalstellen für die
Bilanzierung finanziert und eine Beratungsstelle als Hotline schafft.
UNTERKAPITEL 6
U 6. Stadt- und Ortskerne bewahren und zukunftsfähig entwickeln
Wir Bündnisgrünen sind der Auffassung, dass sozialer Zusammenhalt auch etwas mit
der Lebensqualität unserer Städte und Dörfer zu tun hat. Der allgemeine Trend
zur Zersiedelung unserer Landschaft basiert auf dem Wunsch nach Distanzierung
und Autonomie. Das Ergebnis ist soziale Isolation in der Peripherie und Stau in
den zentralen Orten. Dagegen braucht es attraktive soziale und städtebauliche
Alternativen.
Bündnisgrüne Siedlungspolitik möchte das Wohnen in Ortskernen und urbanen
Nachbarschaften wieder attraktiver machen, als das Wohnen auf der grünen Wiese.
Dafür sind bestehende Quartiere und Ortskerne gezielt auf Familien- Kinder- und
Seniorenfreundlichkeit hin aufzuwerten.
Wir möchten unsere Dörfer und Städte sozial innovativ, energieeffizient und nach
dem Prinzip der Stadt der kurzen Wege entwickeln. Nahversorgung und soziale
Teilhaben sollen damit wieder ohne Auto möglich werden.
U 6.1 Neuer Schwung für Ortskerne: Programm für integrierte Quartierentwicklung
und multifunktionale Nahversorgung
Dem Ausbluten der zentralen Ortslagen in Dörfern und Kleinstädten möchten
wir Bündnisgrüne mit dem Förderprogramm „Neuer Schwung für Ortskerne“ eine
konzertierte soziale und regionalwirtschaftliche Initiative des Landes für
einen innovativen Mix aus sozialen Angeboten, regional basierter
Nahversorgung und sozialen Wohnformen in Ortskernen und Bestandsquartieren
entgegen setzen.
Das Konzept der integrierten Quartierentwicklung und multifunktionalen
Nahversorgung führt verschiedene Angebote der Daseinsvorsorge, mit sozial
orientiertem und seniorengerechtem Wohnen an einem zentralen Ort zusammen.
Multifunktionale Nahversorgung ist ein Mix aus Lebensmittelversorgung und
Anlaufstellen für soziale Dienstleistungen der Pflege- und Hauswirtschaft,
Nachbarschaftshilfe, Vereinen, Tauschbörsen, ehrenamtlichem Engagement und
Gemeindearbeit, Post, medizinischer Versorgung, usw. Bestandteil dieses
Konzepts sind Versammlungsräume für Vereine und ein ggf.
selbstorganisiertes Bürger-Cafe.
Durch das Bündeln von Versorgungseinrichtungen kann sowohl die notwendige
Grundversorgung im Ort gesichert werden, als auch die
betriebswirtschaftliche Grundlage für die Anbieter geschaffen werden.
Dabei sollen insbesondere regionale Anbieter angesprochen werden, so z.B.
im Bereich „Bio“ und „Regionale Produkte“.
Die Integration einer solchen Mischung in einem Gebäude oder einer
Nachbarschaft ist eine organisatorische und finanzielle Herausforderung.
Wir Bündnisgrüne setzen uns für eine professionelle Unterstützung der
Gemeinden durch das Land bei der Projektentwicklung und Finanzierung ein.
U 6.2 Denkmalschutz und Ortskernentwicklung - Baukultur als sozialintegratives
und identitätsstiftendes Projekt denken
Wir Bündnisgrüne möchten eine neue Förderkulisse für das Programm „Neues
Wohnen in der Innenstadt“ zur (Re-)Aktivierung von Wohnflächenpotentialen
in Kleinstädten, Dörfern und geeigneten Denkmalen auflegen.
Der Erhalt und die Weiterentwicklung von bau- und kulturhistorisch
wertvollen Gebäuden, technischen Anlagen und Quartieren in Ortskernlagen
wirkt identitätsstiftend und trägt zur Attraktivität der Städte und Dörfer
im ländlichen Raum bei. Die Finanzierung von Denkmalpflege ist deshalb
auch eine Investition in den Erhalt lebendiger und lebenswerter Dörfer und
Kleinstädte und damit sozial orientierte Infrastrukturförderung.
Wir Bündnisgrüne treten dafür ein, den Mehraufwand bei Sanierung, Umbau
und Umnutzungen im Altbaubestand in Ortskernlagen durch Zuschüsse und
Bürgschaften finanziell attraktiv zu machen, um gerade auch junge Familien
zu motivieren innerorts in Wohnraum zu investieren.
Architektonische Realisierungswettbewerbe auch auf kleiner Ebene müssen
dabei als Fördervoraussetzung eine dem Bestandserhalt angemessene
architektonische und soziale Qualität durchsetzen, denn nur die
durchdachte Kombination aus städtebaulicher, architektonischer und
funktionaler Qualität funktioniert auf Dauer.
U 6.3 Rollende Supermärktegewährleisten Leben im Dorf
Dort wo der Bevölkerungsrückgang im ländlichen Raum keine Investitionen in
Einzelhandel sowie in soziale und kulturelle Infrastruktur ermöglicht,
möchten wir Bündnisgrünen die Grundversorgung durch mobile Dienste und
rollende Supermärkte verstärkt unterstützen. Die mobilen Versorger und
Dienstleister fahren Orte an, in denen Nachfrage besteht und die in die
Route aufgenommen werden können. Zu vorher festgelegten Uhr- und
Standzeiten werden mehrere Haltepunkte angefahren.
Wir möchten im ländlichen Raum darüber hinaus wieder eine tragfähige
Struktur für rollende Lese-, Musik- und Klönstuben für Kinder, Jugendliche
und Senioren initiieren.
Zum Ausbau und der Verbesserung der rollenden Infrastruktur setzen wir
Bündnisgrüne uns für Koordinierungsstellen des Landes, bzw. der Kreise
ein, die Bürgermeister, Dienstleister und Interessenten als erste
Ansprechpartner, Informationsbörse und Vernetzungsplattform aktiv
unterstützen.
UNTERKAPITEL 7
U 7. Kulturlandschaft und Baukultur bewahren und entwickeln
Kulturlandschaften gehören zum materiellen Kultur- und Naturerbe. Sie schließen
Siedlungen, naturräumliche Ausstattungen wie Wald und Wallhecken (Knicks) und
offene Landschaft ein. Kulturlandschaften werden auch durch europäisches Recht
geschützt; mithin aber weitgehend unbekannt.
Kulturlandschaften wurden in den vergangenen hundert Jahren geprägt aber auch
immer wieder verändert. Während in vielen Teilen Deutschlands der ländliche Raum
durch kleine Bauerngehöfte geprägt wurde, ist Norddeutschland durch Gutshöfe und
damit verbundene großflächige Bewirtschaftung gekennzeichnet. Diese Entwicklung
spiegelt sich auch in den überlieferten Kulturlandschaften der großen Wald- und
Ackerflächen wider.
U 7.1 Bau- und kulturhistorisch wertvolle Strukturenerhalten
Baukulturelle Ausprägungen in Form von Siedlungsstrukturen, Sozialstrukturen,
Objekten und Gebäuden sind sensibel weiterzuentwickeln, so dass sie die
historischen Gegebenheiten nicht überformen. Die Erhaltung der noch vorhandenen
Substanz ist immer einem Neubau vorzuziehen. Einerseits werden dadurch
kulturelle Werte erhalten, andererseits werden natürliche Baumaterialien und
vergegenständlichte Arbeit gewertschätzt. Siedlungsstrukturen können die soziale
Geschichte eines Ortes bewahren, Nachhaltigkeitskriterien werden so am besten
eingehalten und die Bewohner identifizieren sich mit ihrer eigenen Geschichte.
Soziale Netzwerke werden gestärkt und sind Bestandteil baukultureller Werte.
Es gibt einige wenige gute Beispiele erhaltener Denkmale des
Industriezeitalters. Dazu gehören Mälzereien, Brauereien, Speicher. Nicht immer
kann die öffentliche Hand selbst die Objekte übernehmen. Viele Gebäude des
Industriezeitalters sind aus Unkenntnis der Geschichte des Gebäudes, der
Spekulation mit einem Kulturgut, durch unklare Nutzungsoptionen und durch
fehlende Unterstützung (auch finanziell)der Abrissbirne zum Opfer gefallen.
Nicht nur die Identität stiftende Geschichte des Gebäudes sind damit
unwiederbringlich verlorengegangen, auch die in den Baumaterialien
vergegenständlichte Energie (graue Energie) und die materiellen Ressourcen
wurden vernichtet.
U 7.2 Öffentlichkeitsbeteiligung bei Prozessen der Entwicklung von
Kulturlandschaft und Baukultur forcieren
Das Potenzial informeller Prozesse bei der Entwicklung der Kulturlandschaft und
der Baukultur wird kaum gesehen. Die unterbesetzten Verwaltungen konzentrieren
sich auf ihre Pflichtaufgaben. Andere Akteure, etwa Bürgerinitiativen werden
nicht als Zugewinn für den Prozess verstanden, sondern häufig als Störenfriede.
In den landschafts- und baukulturellen Prozessen ist die frühzeitige Einbindung
der Bürgerinnen und Bürger von enormer Wichtigkeit, da es um ihre Lebensumwelt,
und nicht in erster Linie um eine Fachplanung geht.
Wir Bündnisgrüne sehen in der frühzeitigen Beteiligung der Bürgerinnen und
Bürger in Prozesse der Entwicklung der Kulturlandschaft und der Baukultur ein
Schlüsselelement gelebter Demokratie. Beteiligungsformate wie
Zukunftskonferenzen, Workshop, Planungscafé und Narratives Erzählen sollen in
der kulturlandschaftlichen und baukulturellen Entwicklungsarbeit in Mecklenburg-
Vorpommern etabliert werden. Fachbehörden (z.B. LUNG), Fachverbände (z.B. SRL)
und Kammern (z.B. Architektenkammer) sind für diese Aufgaben prädestiniert und
sollen in Verbindung mit den Fachverwaltungen auf das Aufgabenfeld vorbereitet
und finanziell unterstützt werden.
U 7.3 Einen Fachbeirat „Kulturlandschaft und Baukultur“ auf Landesebene bilden
Wir Bündnisgrünen fordern, dass die Veränderungen der Landschaft, vor allem die,
die in den zurückliegenden 50 Jahren vorgenommen wurden, auf ein gesundes Maß
zurückgeführt werden, indem wieder Hecken und Feldsäume die Flächen begrenzen
bzw., wo vorhanden, diese erhalten bleiben, Hohlwege und Feldwege in ihrer
natürlichen Beschaffenheit gepflegt werden, Alleen und dazugehörige historische
Straßenbeläge als prägendes Gestaltungs- und Landschaftselement gepflegt wird.
Hierzu soll das Land seine Aktivitäten und die Förderkulisse ausweiten. Um dies
zu erreichen, soll das Land die Mittel der GAP Gemeinsamen AgrarPolitik der
Europäischen Union nutzen. Die Bündnisgrünen setzen sich für einen
interdisziplinären Fachbeirat auf Landesebene ein, der Vorschläge unterbreitet,
wie die Sicherung der Trinkwasserversorgung mit landschaftskulturellen Aspekten
einerseits und Anreizen für die Eigentümer und Pächter der Flächen verbunden
werden kann.
U 7.4 Ein landesweites Bildungsprojekt „Historische Siedlungsstrukturen“
aufbauen
Wir Bündnisgrünen präferieren die Weiterentwicklung historischer
Siedlungsstrukturen und der überlieferten Bausubstanz, wobei auch neue
Funktionszuweisungen und Ergänzungen möglich sind. Um dies zu erreichen schlagen
wir die Entwicklung einer Bildungsreihe zu dem Thema „Siedlungsgeschichte macht
Schule“ als Bildungsprogramm für Schulen vor (z.B. für Projekttage im
Zusammenhang mit Deutsch- und Geschichtsunterricht).
Darüber hinaus streben wir an, Wissenschaftseinrichtungen mit einschlägigen
Ausbildungsrichtungen (Geografie, Regionalökonomie, Ökologie, Stadt- und
Dorfentwicklung, Denkmalpflege) für Analysen und Konzepte zu gewinnen und die
planenden und genehmigenden Verwaltungen inhaltlich zu schulen.
U 7.5 Eine Landesstiftung „Gefährdete Industriedenkmale“ gründen
Die Bündnisgrünen werden eine über die Landesgrenzen hinausgehende Stiftung
„Gefährdete Industriedenkmale“ befördern, die vor allem helfen soll,
die Bestandssicherung von gefährdeten Industriegebäuden und
Industriedenkmalen zu unterstützen
die ersten Schritte für die Erarbeitung von Entwicklungskonzepten gehen zu
können (finanzielle Förderung von z.B. Analysen, Wettbewerben, Workshops)
die Öffentlichkeitsbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit finanziell zu
unterstützen.
UNTERKAPITEL 8
U 8. Ressourcenschonend und wirtschaftlich Planen und Bauen in M-V
Zukunftsfähiges Planen und Bauen sind wichtige Grundlagen für Klimaschutz,
Naturschutz und nachhaltiges Wirtschaften. Konventionelle Gebäude bestehen heute
aus Baustoffen, die bereits bei ihrer energieintensiven Produktion soviel
Treibhausgase erzeugen, wie das Gebäude in seinem gesamten Lebenszyklus von 60
Jahren durch den Energieverbrauch für Wärme und Strom verursacht. Nachhaltiges
Bauen muß den ganzen Lebenszyklus eines Gebäudes betrachten; dann stellt sich
die Frage der Wirtschaftlichkeit neu. 80% der Gebäudekosten fallen während des
Betriebs und Unterhalts eines Gebäudes an. Wir Bündnisgrünen wollen Bauwerke zu
CO2-Senken machen. Nachhaltiges Bauen ist am Ende das Wirtschaftlichste.
U 8.1 Selbstverpflichtung des Landes M-V zu nachhaltigem Planen und Bauen und
deren Förderung
Nachhaltiges Bauen braucht vor Allem zukunftsfähig denkende Bauherren, die
nachhaltige Bauwerke beauftragen. Hier muss das Land voran gehen.
Wir Bündnisgrünen setzen uns dafür ein, das Landesbauten zukünftig
verbindlich mindestens mit dem BNB-Silber-Standard, nach dem
Bewertungssystem für nachhaltiges Bauen des Bundes, d.h. mit
Lebenszyklusanalysen zum wirtschaftlichen und klimaschonenden Bauen,
realisiert werden.
Es gibt in MV zu wenig Praxis-Know-How bei Planern und Baufirmen zu
nachhaltigem und zukunftsfähigem Bauen. Wir sind deshalb dafür, dass es
regionalen Architektur- und Planungsbüros, sowie der örtlichen
Bauwirtschaft durch Landesbauaufträge ermöglicht wird sich mit
zukunftsweisenden Bauweisen zu befassen und an diesen Aufgaben zu wachsen.
Bisher muss dieses Wissen aus anderen Bundesländern importiert werden,
bzw. es findet einfach nicht statt. Hier kann Landespolitik nachhaltige
Wirtschaftsentwicklung initiieren und steuern.
Die Landesgesetze und Richtlinien in M-V müssen die nachhaltigen und
partizipativen Förderkriterien aus den EU-Richtlinien übernehmen. Die EU
ist hier weiter als Deutschland und die Bundesländer.
Auch kommunale Bauten auf BNB-Standard sollen gefördert werden. Dies kann
durch einen Mehraufwandszuschuss des Landesförderinstituts LFI für
innovative, ressourcen- und klimaschonende Planung, Konstruktion,
Materialwahl und eine Nachhaltigkeitszertifizierung bei baulichen
Investitionen geschehen.
U 8.2 Gebäude als CO2-Senken realisieren - Holzbau und nachwachsende Baustoffe
fördern
Gebäude als CO2-Senke: Heute können Gebäude bereits klimaneutral als CO2-
Senken geplant werden, d.h. sie binden in den Baustoffen genau soviel oder
sogar mehr CO2 als der Bauprozess und die Baustoffproduktion verursachen.
Das setzt bei der Materialwahl eine Abkehr von der konventionellen
Verwendung von Beton, Ziegel, Stahl, Glas und Kunststoff voraus, und
erfordert den Einsatz von nachwachsenden, recyclingfähigen Baustoffen.
Die Landesbauordnung MV für Holzbau optimieren: Wir Bündnisgrünen setzen
uns dafür ein, dass die Benachteiligung des Holzbaus in der LBauO M-V,
z.B. in Bezug auf die veralteten und überzogenen Brandschutzanforderungen
für Holzkonstruktionen durch eine Novellierung der Landesbauordnung
aufgehoben wird.
Wir wollen, das ein Förderprogramm „Bauen mit Holz und nachwachsenden
Rohstoffen in M-V“ zur Forcierung des Holzbaus als CO2-Senke, für den
Klimaschutz und zur Förderung der regionalen Produktion nachwachsender
Rohstoffe in M-V eingerichtet wird. Vorbild ist Hamburg. Hier gibt es
einen Landeszuschuss für jedes Kilogramm Holz, das im Wohnungsbau und im
Gewerbebau verarbeitet wird.
U 8.3 Wissens-Cluster Kreislaufwirtschaft / nachhaltiges Bauen als
Wirtschaftsförderung
Als Bündnisgrüne setzen wir uns dafür ein, dass ein Lehrstuhl für
Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit an der Hochschule Wismar
eingerichtet wird, um einen Wissens-Cluster zu diesen baukonstruktiven
Themen in M-V zu etablieren. Die Studenten von heute sind die Planer und
Entscheider von morgen, an vielen Orten in M-V.
Nachwachsende Baustoffe können insbesondere für ein agrarisch geprägtes
Flächenland wie M-V neue und nachhaltig ökologische Perspektiven für
Forst- und Landwirtschaft eröffnen. Hier besteht ein erhebliches
Innovationspotential, das wertvolle Impulse für die Entwicklung stabiler
neuer Wirtschaftsstrukturen im ländlichen Raum in M-V geben kann.
Wir Bündnisgrünen befürworten die Auslobung eines Landesbaupreises für
Nachhaltiges Bauen, zur Förderung und Verbesserung der öffentlichen
Wahrnehmung nachhaltiger Bauweisen, gemeinsam mit den Architekten- und
Ingenieurkammern M-V, um hervorragende Projekte im Land belobigen und
kommunizieren zu können.
Dazu gehört für uns auch eine Infokampagne des Landes in Kooperation mit
der Architektenkammer M-V und dem VNW Verband Deutscher
Wohnungsunternehmen, um Kommunen, Wohnungswirtschaft, Planer und private
Bauherren von den Vorteilen und Qualitäten des nachhaltigen,
ressourcenschonenden und klimaneutralen Bauens zu informieren.
UNTERKAPITEL 9
U 9. Nachhaltige Entwicklung und Schutz der biologischen Vielfalt
Eine nachhaltige Entwicklung ist das Leitbild grünen Regierungshandelns. Das
bedeutet, es ist zukunftsorientiert und bringt die sozialen und wirtschaftlichen
Interessen in Einklang mit der langfristigen Sicherung unserer natürlichen
Lebensgrundlagen. Nachhaltiges Handeln stärkt die Generationengerechtigkeit und
die Chancengleichheit, setzt ehrgeizige Ziele, die sich an den 17 universellen
Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen orientieren. Im Bundesvergleich hat
M-V eine herausragende Ausstattung an wertvollen Naturräumen. Damit kann es eine
besondere Rolle beim Schutz der biologischen Vielfalt, also von Tier- und
Pflanzenarten und Landschaftsräumen, einnehmen. Vielfach bedeuten viefältige und
"grüne Orte" Lebensqualität. Zugleich können naturreiche Räume ökonomische
Bedeutung haben und sind auch vor diesem Hintergrund schützenswert. So kommen
viele Tourist*innen aufgrund der einmaligen Küstengebiete und Landschaften im
Landesinneren nach M-V und sind damit auch ein ökonomischer Standortfaktor.
U 9.1 Nachhaltiges Handeln braucht eine Strategie
Anders als die Bundesregierung und viele andere Bundesländer hat M-V bislang
keine Nachhaltigkeitsstrategie. Die Landesregierung war bisher nicht in der Lage
eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln.
Das wollen wir ändern und fordern daher:
Die Erarbeitung und Aufstellung einer Nachhaltigkeitsstrategie für das Land
Mecklenburg-Vorpommern mit Beteiligung von Kommunen, Bürger*innen und
Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft. Die Nachhaltigkeitsstrategie wird eine
wichtige Plattform der Kommunikation für alle gesellschaftlichen Akteure sein,
um gemeinsam an Lösungen und innovativen Ideen für ein nachhaltiges Mecklenburg-
Vorpommern zu erarbeiten. Ob sich die Nachhaltigkeit im Land M-V gut oder
nachteilig entwickelt wird regelmäßig und transparent überprüft und an die
Öffentlichkeit kommuniziert. Dafür untersetzen wir die Nachhaltigkeitsstrategie
mit messbaren Indikatoren und konkreten Maßnahmen. Diese gehen über die
Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung hinaus.
U 9.2 Unterstützung für mehr Nachhaltigkeit in Kommunen: Aufbau einer „Agentur
für Nachhaltigkeit“ in M.- V.
Für die Unterstützung von Akteur*innen in Kommunen, um Maßnahmen zur Erreichung
von Zielen für mehr Nachhaltigkeit planen und umsetzen zu können, soll eine
„Agentur für Nachhaltigkeit“ auf Landesebene eingerichtet werden. Die
Aufgabenwahrnehmung der Agentur für Nachhaltigkeit kann über die bestehende
Landesenergie- und Klimaschutzagentur (LEKA-MV) erfolgen. Hierzu soll ein neues
Sachgebiet aufgebaut werden, das sich mit der Erstellung von kommunalen
Nachhaltigkeitsstrategien und deren Umsetzung beschäftigt.
Eine der Aufgaben der Agentur wäre es ,die Kommunen bei der Erarbeitung von
„Nachhaltigkeitsprofilen“ zu unterstützen. Hierbei sollen bereits bestehende
kommunale Initiativen, Projekte, Strategien, Pläne und Konzepte in Bildung,
Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und in den Verbänden ausgewertet und auf
ihr Nachhaltigkeits- bzw. Zukunftspotenzial hin überprüft werden. Ziel ist es,
Profilierungsfelder und Potenziale für die nachhaltige Entwicklung in den
Kommunen zu identifizieren und gezielt auszubauen.
U 9.3 Förderung der Naturvielfalt in Mecklenburg-Vorpommern
Derzeit verfehlt Mecklenburg-Vorpommern in vielerlei Hinsicht das EU-Ziel, den
Verlust an Arten und Naturräumen aufzuhalten. Dabei sind der Schutz und der
Erhalt der Naturvielfalt für uns alle wichtig, nicht nur in Schutzgebieten, den
landschaftlichen Freiräumen und auf Ackerflächen sondern auch in den Städten und
Gemeinden M-Vs. Wir Grüne wollen, dass das Thema biologische Vielfalt einen
höheren Stellenwert und Berücksichtigung erfährt. Dazu wollen wir die Gemeinden
M-Vs bei der Förderung der biologischen Vielfalt unterstützen und Ansätze zur
Förderung und zum Erhalt der biologischen Vielfalt in den relevanten
Planungsinstrumenten stärken. So wollen wir den hohen Grad an unzerschnittenen
verkehrsarmen Räumen in M-V würdigen. Der Grad der Unzerschnittenheit soll als
Indikator in die interkommunale Planung und übergeordneter Raumordnung
berücksichtigt werden. Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass das Thema der
Förderung der Naturvielfalt in den zuständigen Behörden eine stärkere und
systematischere Berücksichtigung erfährt und hier eine bessere Ausstattung mit
qualifiziertem Personal erreichen.
U 9.4 Förderprogramm und Wettbewerb zum Schutz der biologischen Vielfalt in
Städten und Gemeinden
Die Förderung der biologischen Vielfalt in den Freiräumen des Siedlungsbereichs
ist von herausragender Bedeutung..Vielfältige Grünflächen verbessern das
Stadtklima, die Luftqualität und leisten einen wichtigen Beitrag zur Anpassung
an den Klimawandel, insbesondere auch mit Blick auf die zunehmenden Hitzewellen
und Starkregenereignisse.
Wir wollen ergänzend zum neuen Förderschwerpunkt "Stadtnatur" beim
Bundesprogramm "Biologische Vielfalt" des Bundesumweltministeriums ein
Landesförderprogramm auflegen und Kommunen intensiv beraten und unterstützen,
wie Stadtnatur gefördert werden kann. Der neue Förderschwerpunkt soll Projekte
umfassen zur Entwicklung und Umsetzung kommunaler Konzepte und Strategien zur
biologischen Vielfalt. Es sollen Maßnahmen zur naturnahen Um- und Neugestaltung
von Grünflächen zur Steigerung der Strukturvielfalt, deren Vernetzung
untereinander sowie zur Aktivierung neuer Flächenpotenziale gefördert werden.
Zusätzlich wollen wir einen Wettbewerb "Naturvielfalt für M-V" ausloben, der
kleine und größere Kommunen und Unternehmen in M-V auszeichnet und finanziell
würdigt, die Arten- und Landschaftsvielfalt in besonderer Weise schützen und
fördern und hierbei auch auf neue Formen des Austauschs bauen. Hierbei sollte
das Thema der "biologischen Vielfalt" auch in Bildungsaktivitäten, und
insbesondere an Schulen und Kitas thematisiert werden.
U 9.5 Kleingärten mit Zukunft
Kleingärten bilden eine historisch gewachsene, kulturelle, ökologische und
soziale Ressource in M.- V. Sie bilden auch eine große Flächenressource
innerhalb bebauter Ortslagen. Viele Gärten werden jedoch nicht mehr
bewirtschaftet und liegen brach. Aufgrund des demografischen Wandels wird sich
dieser Trend noch steigern. Deswegen werden Überlegungen immer wichtiger, wie
das Kleingartenwesen zukunftsfähig gestaltet werden kann. Als Planungs- und
Steuerungskonzept bieten sich hierfür gesamtstädtische
Kleingartenentwicklungskonzepte an. Kleingärte besitzen eine wichtige
Naherholungsfunktion und eine wichtige Funktion im Naturhaushalt. Sie stellen
wirksame ökologische Verbindungen und klimatische Ausgleichsräume in bebauten
Gebieten dar. Die zu erwartende weitere bauliche Verdichtung der Städte für mehr
Wohnraum innerhalb des Stadtgefüges wird dazu führen, dass die ökologische und
klimatische Ausgleichsfunktion der Kleingärten weiter an Bedeutung gewinnen
wird.
Maßnahmen zur Revitalisierung von Kleingartenanlagen:
Umwidmung als Naturschutzfläche:Unbewirtschaftete Gartenparzellen mit
altem Obstbaumbestand werden in Streuobstwiesen/Blühwiesen naturnah
umgestaltet
Teilweiser Rückbau insbesondere in Zonen, in denen die Gärten in Konflikt
mit bestehenden Naturräumen stehen (an Wasserläufen, am Waldrand, in
biologisch sensiblen Landschaftsräumen)
Anlage von Mustergärten, ökologischen Gärten, Naturspielplätzen
Nutzung als Kompensationsflächen für Eingriffe in Natur und Landschaft und
damit Finanzierung der Umgestaltung von Kleingartenanlagen
Umwidmung zu Kleingartenparks:Kombination aus privat genutzten Parzellen
und öffentlich zugänglichen Erholungsflächen
UNTERKAPITEL10
U10 Meeresraumordnung
Der maritimen Raumordnung fällt im Land MV als Küstenland eine Schlüsselrolle
zu.
Nicht erst seit 1990 erfährt die Ostsee eine zunehmende Nutzungsintensivierung.
Naturschutz, Meeressäuger oder Fischlaichgebiete haben eine zu schwache Stimme
bei der Abwägung der Nutzungsbelange.
Wir Bündnisgrüne setzen uns für eine stärkere Berücksichtigung der Schutzgüter
der Meeresumwelt ein.Die Ostseeweist keinen guten Umweltzustand auf. Sehr
zeitnah muss daher sowohl mit 'Reparatur-' als auch mit Vorsorgemaßnahmen
begonnen werden. Bisher wurden Nutzungsansprüche meist eindimensional durch
Fachplanungen durchgesetzt, z.B. Schifffahrt oder Leitungsverlegungen. Durch
echten Ökosystemansatz soll der Verbesserung des Umweltzustandes und der
Lebensumstände der Menschen genüge getan werden.
U 10.1 Flächenhafte, zeitlich festgesetzte und rechtsverbindliche Umsetzung der
EU-Wasserrahmenrichtlinie in MV.
Dadurch soll die Gewässerqualität in den Einzugsgebieten der Ostsee- (und
Nordsee-)zuflüssen auf die Gewässerqualitätstufen I oder II gehoben werden.
Durch integrierte Planung soll der Umweltzustand an Land insgesamt verbessert
werden, was der Bevölkerung und Gästen, der Naherholung und dem Tourismus zugute
kommen soll. Besonders sollen Einträge aus der Landwirtschaft minimiert werden
und eine flächendeckende Ausweisung und Erhaltung von Gewässerrandstreifen mit
Düngung und Ackerbauverbot. Für die Sportschifffahrt soll ein
Abwassereinleitungsverbot angestrengt werden; mit geringem Aufwand können
Informationskampagnen zur Reduzierung der Abwassereinleitungen in Binnengewässer
und Ostsee beitragen. Kein Tourist badet gern in der Ostsee im Bewusstsein der
strandnahen Wasserqualität.
U 10.2 Flächenhafte, zeitlich festgeschriebene und rechtsverbindliche Umsetzung
der EU-Meeresstrategie-Richtlinie in MV (EU-MSRL)
Zur Erreichung des Ziels des 'Guten Umweltzustandes' verfolgt die EU-MSRL den
Ökosystemansatz. In den letzten zehn Jahren wurden zahlreiche Untersuchungen und
Projekte durchgeführt, die einen erheblichen Wissenszuwachs erbracht haben.
Nunmehr sollte es an die Realisierung gehen – MV sollte hier aus Gründen der
Verbesserung der Lebensumstände für die eigene Bevölkerung sowie für die Gäste
aktiv voranschreiten. In vielen Staaten bedient man sich z.B. des Integrierten
Küstenzonenmanagements (IKZM) – dies ist in MV noch unterentwickelt. Dabei
könnten die zuständigen Akteure durch Koordinierung deutlich bessere Ergebnisse
erzielen als bisher. Dabei soll das in der MSRL festgeschriebene Vorsorge- und
Verursacherprinzip auch durchgesetzt werden. Durch tatsächlich koordinierende
Planung können Raumfunktionen übereinander gelegt werden. Durch
Küstenschutzmaßnahmen kann durchaus Siedlungsentwicklung gesteuert werden
U 10.3 Sofortreparaturmaßnahmen in der Meeresumwelt
Neben den vorsorgenden Maßnahmen setzen wir Bündnisgrüne uns für zeitnahe und
dabei langfristige Reparaturmaßnahmen der Meeresumwelt ein. Dazu gehören:
Müll- und Altlastenbeseitigung
Munitionssuche und -beseitigung
Landstromanschlüsse in allen industriell genutzten Häfen
Überwachung der Emissionen und Verhinderung von Stoffaustritten insb. bei
Baggerungs- und Leitungsverlegungsarbeiten in der Ostsee
u.a.
UNTERKAPITEL11
U 11 Unterirdische Raumordnung
Bei diesem relativ neuen Planungsraum der Raumordnung weist das
Landesraumentwicklungsprogramm neben mehreren richtigen Ansätzen: Schutz des
Grundwassers oder Ausschluss der Förderung von Erdgas und Erdöl im Küstenmeer
sowie für ihre Stützbohrungen – es geht jedoch nicht weit genug.
Wir Bündnisgrünen fordern eine echte nachhaltige Planung, die genaue
Festsetzungen enthält. So heißt es lediglich, dass das bei Kavernenherstellung
anfallende salzbelastete Prozesswasser nicht in Binnengewässer eingeleitet
werden solle. Hier muss es heißen: 'Nicht darf'! Im Programm fehlen Aussagen zum
Ausschluss des Frackings oder zum Ausschluss von Endlagerung von Abfall aus
kerntechnischen Anlagen.
U 11.1 Novellierung des Kapitels 'Unterirdische Raumordnung des LROP'
Im Zuge der bereits aufgeführten zeitnahen Novellierung des
Landesraumentwicklungsprogramms (LROP) soll ebenfalls das Kapitel 'Unterirdische
Raumordnung' überarbeitet sowie stringenter und verbindlicher definiert werden.
Dabei sollen insbesondere die fehlenden bzw. nicht ausreichend formulierten
Inhalte gefasst und konkretisiert werden:
Hydrothermische Geothermie
Petrothermische Geothermie
Oberflächennahe Geothermie
Nachhaltige Nutzung von Geokälte
Untersagung unterirdischer Abfallverbringung
Ablehnung der Endlagerung von radioaktiven Abfällen aller
Strahlungsintensitäten
Ausschluss von Fracking
Ausschluss der Einleitung saliner Prozesswasser in Binnengewässer
Der Teil 'Unterirdische Raumordnung' ist in der digitalen Fassung
dreidimensional darzustellen.
U 11.2 Schutz des Grundwassers
Anders als im LROP festgeschrieben darf die Ressourcen Grundwasser nicht nur
nicht beeinträchtigt werden. Sie muss nicht nur geschützt, sondern deren
Qualität und Quantität müssen erhöht werden. Hierzu gehört eine raumordnerische
Qualifizierung der Vorbehaltsgebiete anhand der
Grundwasserressourcenuntersuchungen des LUNG M-V.
U 11.3 Rechtsverbindliche Festschreibung und Realisierung der Nachnutzungen der
Bergbaufolgelandschaften
Bislang erfolgt zwar ein zielgerichteter Abbau von oberflächennahen Rohstoffen –
die in der Abbaugenehmigung enthaltenen Auflagen zur Revitalisierung bzw.
Renaturierung. Künftig muss der Vollzug der Auflagen stringent realisiert bzw.
bei Nichteinhaltung sanktioniert werden.
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